Wohnimmobilien: Zweckoptimismus und wenig hohe Erwartungen an die Politik

Expo Real-Ausblick: Neubau stockt, Genehmigungen fallen, Kosten & Zinsen drücken. Politik setzt auf Mietpreisbremse und „Bauturbo“. Branche skeptisch, sieht Chancen in Bestandsobjekten und bei selektiven Käufen.

Jan Döhler

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Jan Döhler

Veröffentlicht am

2.10.25

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19:23

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Wohnimmobilien: Zweckoptimismus und wenig hohe Erwartungen an die Politik

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Auch die neue schwarz-rote Bundesregierung hatte sich auf die Fahnen geschrieben, die Wohnungsnot in den großen Städten zu bekämpfen und für mehr bezahlbares Wohnen zu sorgen. Die ersten 100 Tagen sind längst vorbei, dafür steht mit der Expo Real in München die wichtigste Immobilienmesse vor der Tür. Wie lautet das erste Fazit – und was sind die Erwartungen der Branche an die Politik?

Von den 400.000 Wohnungsneubauten pro Jahr, die Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) zu Beginn der Ampelkoalition als Zielvorgabe ausgegeben hat, ist die Bautätigkeit in Deutschland weit entfernt. Im Gegenteil, die Zahlen waren sogar rückläufig, von mehr als 300.000 auf knapp über 250.000 im vergangenen Jahr. Die Baugenehmigungen hinken mit 215.000 im Jahr 2024 sogar noch stärker hinterher. Das hat natürlich in erster Linie mit dem Umfeld zu tun, vor allem mit den drastischen Zins- und Baukostensteigerungen. Klar ist aber auch, dass die Ampel keine Mittel gefunden hat, wirksam gegenzusteuern. Auch die Angebotsmieten in den Metropolen sind folgerichtig nicht zurückgegangen, im Gegenteil.

Wird ihrer Nachfolgerin und Parteifreundin Verena Hubertz mehr Fortune beschieden sein? Die Rezepte der neuen Regierung ähneln bisher denen der alten: Zunächst einmal wurde die Verlängerung der Mietpreisbremse bis Ende 2029 beschlossen. Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) kündigte sogar eine Bußgeldregelung für Verstöße durch Vermieter an. Zudem soll eine Kommission zu Mietrechtfragen Konzepte entwickeln, wie den Regelungen gegen „Mietwucher“ in Zukunft „mehr Biss“ verliehen werden kann. Der Schutz für Bestandsmieter genießt also weiterhin hohe Priorität. Kollateralschäden für diejenigen Menschen, die eine neue Wohnung suchen, nimmt man offenbar billigend in Kauf.

Der „Bauturbo“ verlagert die Verantwortung auf die Kommunen

Auf der Habenseite kann die neue Regierung ihren „Bauturbo“ verbuchen. Er soll es Kommunen ermöglichen, Wohnungsbauvorhaben schneller und ohne Aufstellung eines Bebauungsplans zu genehmigen. Dabei handelt es sich um eine befristete Sonderregelung im Baugesetzbuch. Letztlich lädt die Bundesregierung die Entscheidungsverantwortung damit aber bei den Kommunen ab. Man wird sehen, wie viele Bürgermeister es wagen, sich für ein Neubauprojekt im Zweifelsfall mit den Anwohnern anzulegen oder schwer kalkulierbare Rechtsrisiken in Bezug auf Umweltauflagen einzugehen.

Die Zahlen für das erste Halbjahr 2025 zeigen den Handlungsbedarf: Gerade einmal 110.000 Wohnungen wurden neu genehmigt. Das waren zwar drei Prozent mehr als im Vorjahr – was aber das schwächste erste Halbjahr seit 2010 war. Zudem war der Zuwachs praktisch ausschließlich auf Einfamilienhäuser zurückzuführen. Zur Erinnerung: Nimmt man den von der Ampel damals kalkulierten Bedarf zum Maßstab, müssten es gut doppelt so viele sein. Mit welchen Sorgen und Erwartungen im Gepäck fährt die Branche – zumal ihre Berliner Vertreter – also nun nach München zur Expo Real?

Die Lage ist schwierig…

Stefan Claus, CEO beim Berliner Immobiliendienstleister BEB+, beschreibt den Status quo wie folgt:

„Die Immobilienwirtschaft steht vor großen Herausforderungen: Hohe Zinsen, steigende Energiekosten, verschärfte Regulierungen und ein angespannter Mietmarkt setzen Eigentümer, Mieter und Investoren unter Druck. In Berlin verschärfen die Verlängerung der Mietpreisbremse und Debatten um Vergesellschaftungen die Lage zusätzlich.“ Dem pflichtet Benjamin Rogmans, Geschäftsführer des Maklerhauses Engel & Völkers Commercial in Berlin, im Grunde bei: „Berlin bleibt weiterhin ein sehr gefragter Standort. Die Stadt wächst und der Bedarf an Wohnungen steigt stetig. Gleichzeitig stockt der Neubau. Hohe Finanzierungskosten, gestiegene Baupreise und komplizierte Genehmigungsverfahren bremsen viele Projekte aus. Dadurch steigt der Druck auf den Bestand zusätzlich, die Mieten legen weiter zu.“

Doch gleichzeitig beobachtet Rogmans bereits eine Rückkehr institutioneller Investoren: „Nachdem die vergangenen zwei Jahre stark von privaten Käufern, semiprofessionellen Investoren und Family Offices geprägt waren, sehen wir nun auch die Rückkehr der institutionellen Investoren. Besonders bemerkenswert ist, dass sich die Zahl der Transaktionen mit internationalem Kapital im Vergleich zum Vorjahr aktuell verdoppelt hat.“

…und doch bieten sich Chancen

Auch Jürgen Michael Schick, CEO des auf Wohnimmobilien fokussierten Berliner Investmentmaklers Schick Immobilien, sieht inzwischen mehr Licht als Schatten:

„Der Markt hat den Boden gefunden. Transaktionen nehmen zu, Preise bewegen sich wieder auf tragfähigem Niveau. Neubau bleibt knapp, daher rücken Bestandsobjekte in den Fokus.“ Moritz Kraneis, Geschäftsführer der Deutsche Zinshaus Gruppe, sieht gerade jetzt auch Chancen: „Der deutsche Immobilienmarkt befindet sich derzeit in einer historisch attraktiven Phase für kapitalstarke Käufer.“ Gerade an B- und C-Standorten böten sich jetzt „zahlreiche Gelegenheiten, Portfolios zu attraktiven Einstiegspreisen aufzubauen.“

Die Politik setzt den Hebel an der falschen Stelle an

Die Wünsche an die Politik sind unisono groß – aber die realistischen Erwartungen eher weniger, denn auch in der Einschätzung der bisherigen Marschrichtung herrscht Einigkeit. Benjamin Rogmans fasst es so zusammen: „Illusionäre Konzepte wie der Mietendeckel oder Vergesellschaftungen lösen die Probleme nicht, sie zementieren sie ein. Entscheidend ist, den Neubau zu fördern: schnellere Genehmigungen, weniger Bürokratie, verdichtetes Bauen und funktionierende öffentlich-private Partnerschaften.“ Gleichzeitig brauche es mehr Mittel für sozialen Wohnungsbau und eine längere Bindung im geförderten Segment. Wichtig seien zudem Anreize für Wohnraumtausch, damit bestehende Flächen effizienter genutzt werden. „Ohne verlässliche Rahmenbedingungen, die Investoren Planungssicherheit geben, wird jedoch niemand bauen. Und solange das nicht geschieht, werden Preise weiter steigen.“

In dieselbe Kerbe schlägt auch Stefan Claus:

„Wir brauchen klare, verlässliche Rahmenbedingungen bei energetischen Vorgaben, Förderprogrammen und Steuern. Gleichzeitig sollten marktverzerrende Eingriffe wie die Mietpreisbremse reduziert und Förderungen stärker auf individueller Ebene ausgerichtet werden. Bürokratieabbau und der Verzicht auf überbordende technische Vorgaben würden die Branche entlasten und Innovationen fördern.“ Und Jürgen Michael Schick sagt: „Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen spürbar schneller werden, das Mietrecht braucht Verlässlichkeit statt weiterer Eingriffe. Das kommunale Vorkaufsrecht darf nicht ausgeweitet werden. Gefordert sind echte Eigentumsförderung sowie technologieoffene, CO2-wirksame Anreize für die energetische Modernisierung.“

Politik und Regulierung ist nicht alles

Moritz Kraneis indes rät dazu, nicht allzu sehr in Richtung der Politik zu schauen: „Auch die aktuelle Bundesregierung startete mit großen Plänen für die Wohnungs- und Baupolitik, vom Bauturbo bis zu neuen Modellen für die Abrechnung energetischer Sanierungen. Viele dieser Ankündigungen sind ambitioniert, ihr tatsächlicher Markteinfluss wird sich jedoch erst in den kommenden Jahren zeigen – ihre gesetzliche Verabschiedung vorausgesetzt.“ Aber: „Erfahrene Marktteilnehmer beobachten solche Reformen aufmerksam, wissen jedoch, dass nachhaltiger Erfolg vor allem aus einer klaren, selbst steuerbaren Strategie resultiert. Langfristige Marktlogiken sind in der Regel robuster als die Effekte einer spezifischen Koalition oder Legislaturperiode.“

Auch ohne staatliche Anreize gebe es Opportunitäten – derzeit vor allem Special Situations wie Distressed Sales, notleidende Portfolios oder Insolvenzen – und Tätigkeitsfelder zum Beispiel im aktiven Bestandsmanagement, so Kraneis.

„Der übermäßige Fokus auf spezifische Gesetzesvorhaben und der Ruf nach Unterstützung der Regierung sind fehl am Platz. Wir fokussieren uns lieber auf konkrete Deals.“

Stefan Claus konzentriert sich in der aktuellen Marktphase eher auf den Bestand: „Unsere Antworten sind Transparenz, vorausschauende Instandhaltung und ESG-konforme Maßnahmen.“ Benjamin Rogmans indes sieht die Käuferseite nicht abgeschrieben: „Käufer sollten den Markt mittel- bis langfristig betrachten. Wer bereit ist, mit Weitsicht zu investieren, findet in Berlin jetzt äußerst interessante Chancen. Besonders Objekte mit Entwicklungspotenzial sind spannend, etwa wenn Sanierungen anstehen oder Flächen nachverdichtet werden können.“ Sehr kurzfristige Spekulationen hingegen lohnten sich kaum.

Nicht anders sieht es Jürgen Michael Schick: „Käufer sollten Substanz in guten Mikrolagen suchen, langfristig finanzieren und Sanierungen über einen klaren, CO2-orientierten Fahrplan kalkulieren. Verkäufer realisieren nach langer Haltedauer Gewinne, bereinigen Portfolios und setzen auf gut vorbereitete, diskrete Prozesse. So treffen sich beide Seiten auf Augenhöhe.“

So verdichtet sich der Eindruck, dass die Branche einerseits mit viel Zweckoptimismus für das eigene Geschäftsmodell nach München reist. Große Erwartungen an die Politik und große Zuversicht, dass der Knoten beim Wohnungsbau in naher Zukunft wirkungsvoll durchschlagen wird, scheint aber nicht weit verbreitet. Für Bestandsvermieter sind das gute Nachrichten – für Projektentwickler und vor allem Wohnungssuchende weniger.

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