Versicherungsbranche vor dem Warnstreik – Tarifkonflikt spitzt sich zu

Nach dem Scheitern der dritten Tarifrunde ruft Verdi zu Streiks in der Versicherungsbranche auf. Die Arbeitgeber bleiben gelassen – und rechnen mit weiteren Aktionen. Kommt jetzt doch Bewegung in die Gespräche?

Anja Amend

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Anja Amend

Veröffentlicht am

15.6.25

Versicherungsbranche vor dem Warnstreik – Tarifkonflikt spitzt sich zu

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Verdi macht Druck – doch die Arbeitgeber bleiben (noch) ruhig

Die Tarifverhandlungen für rund 180.000 Innendienstmitarbeiter privater Versicherungsunternehmen in Deutschland treten in eine neue Eskalationsstufe ein. Nachdem auch die dritte Verhandlungsrunde Ende Mai ergebnislos endete, ruft die Gewerkschaft Verdi nun für den 26. Juni zu bundesweiten Streiks auf. Geplant sind Arbeitsniederlegungen in mehreren Städten, darunter Berlin, Frankfurt und München – dort, wo viele große Versicherer ihren Sitz oder ihre Zentralen haben.

Die Gewerkschaft zeigt sich entschlossen: Die Beschäftigten seien in den letzten Jahren trotz stabiler Branchenentwicklung nicht ausreichend an den Erfolgen beteiligt worden, heißt es. Verdi fordert eine kräftige Lohnanhebung von zwölf Prozent bei nur zwölf Monaten Laufzeit sowie zusätzliche Regelungen zur Ausbildungsvergütung und Übernahmegarantie. Hinzu kommt die Forderung nach einem eigenständigen Transformationstarifvertrag, der die sozialen Folgen von Digitalisierung und KI-Einsatz abfedern soll.

AGV bietet moderate Schritte – Kritik an Verdi-Berechnungen

Auf der anderen Seite steht der Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen (AGV) mit einem deutlich zurückhaltenderen Angebot. Vorgesehen sind Tariferhöhungen von 4,8 Prozent ab August 2025 und weiteren 3,3 Prozent ab September 2026 – auf insgesamt mehr als zwei Jahre verteilt. Auszubildende sollen 220 Euro monatlich mehr erhalten. Für Verdi ist das nicht nur zu wenig, sondern auch zu spät.

Der AGV gibt sich in der Öffentlichkeit unbeeindruckt. Man rechne mit weiteren gewerkschaftlichen Aktionen, die man jedoch nicht als echten wirtschaftlichen Druck sehe, erklärte Sebastian Hopfner, stellvertretender Hauptgeschäftsführer, im Handelsblatt. Schon zuvor hatte AGV-Verhandlungsführer Andreas Eurich deutlich gemacht, dass eine Kompensation der Reallohnverluste der vergangenen Jahre nicht in einem einzigen Tarifabschluss nachgeholt werden könne. Zudem äußerte er Zweifel an Verdis Berechnungsgrundlagen.

Digitalisierung als Konfliktthema der Zukunft

Der Streit zeigt exemplarisch, wie Digitalisierung und Automatisierung längst zum Gegenstand tariflicher Auseinandersetzungen geworden sind. Mit dem geplanten „Transformationstarifvertrag“ will Verdi auch auf künftige Herausforderungen reagieren – etwa durch Weiterbildungspflichten, Schutzregelungen und transparente Mitgestaltung beim Einsatz von KI in der Sachbearbeitung. Für die Versicherer bedeutet das ein heikler Spagat: Einerseits müssen sie effizienter und digitaler werden, andererseits steht viel auf dem Spiel in Bezug auf Know-how und Mitarbeiterbindung.

Ob der angekündigte Streik tatsächlich zu einem Umdenken auf Arbeitgeberseite führt, bleibt offen. Immerhin: Beide Parteien zeigen sich grundsätzlich verhandlungsbereit – ein neuer Gesprächstermin im Juli gilt als wahrscheinlich. Bis dahin könnte sich der Ton jedoch weiter verschärfen. Denn eines ist sicher: Die Geduld auf Gewerkschaftsseite ist spürbar am Ende.

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