Telekom wird Versicherer: Ein kluger Schachzug oder teure Spielerei?

Die Telekom gründet eine eigene Versicherungsgesellschaft (Captive), um steigenden Versicherungsprämien zu entgehen und mehr Einfluss auf Versicherungsbedingungen zu nehmen. Ein strategischer Schachzug oder risikoreiches Experiment?

Dominik Amend

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Dominik Amend

Veröffentlicht am

2.6.25

Telekom wird Versicherer: Ein kluger Schachzug oder teure Spielerei?

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Während die klassische Industrie unter hohen Versicherungsprämien leidet, hat nun auch die Deutsche Telekom genug von den steigenden Kosten. Laut Informationen der Süddeutschen Zeitung gründet der Bonner Kommunikationsriese eine eigene Versicherungsgesellschaft, um sich unabhängiger von externen Versicherern zu machen – und folgt damit prominenten Beispielen wie BMW, Siemens und BASF.

Captives – Der neue Trend in der Industrie

Die sogenannte Captive-Versicherung, ein firmeneigener Versicherer, ist kein neuer Trend, doch aktuell erlebt er ein eindrucksvolles Revival. Immer mehr Großkonzerne ziehen die Notbremse angesichts explodierender Prämien bei Haftpflicht- und Sachversicherungen. Dass nun auch die Telekom einsteigt, macht deutlich: Die Schmerzgrenze ist überschritten. Der Frust bei der Industrie ist groß – und wächst weiter.

Besonders bitter für viele Unternehmen: Gerade in einer Phase konjunktureller Unsicherheit und sinkender Gewinne drehen die Versicherer an der Preisschraube. Marktführer wie Allianz, Munich Re, Talanx/HDI oder Axa stehen zwar weiter bereit, allerdings zu Konditionen, die mancher CFO als „nicht mehr akzeptabel“ bezeichnet. Grund hierfür ist jedoch auch die verschärfte Schadenquote über verschiedene Versicherungsklassen hinweg, die viele Versicherer zur Prämienerhöhung zwingt.

Einflussnahme auf Versicherungsbedingungen als Ziel

Doch was verspricht sich die Telekom konkret von einer eigenen Captive? Zunächst einmal mehr Kontrolle über Versicherungsbedingungen und Preise. Technisch gesehen wird die Telekom-Gesellschaft, die Mitte 2026 am Standort Köln starten soll, als Rückversicherer auftreten. Das bedeutet, sie beteiligt sich an Konsortien mit klassischen Versicherern und nimmt dadurch direkten Einfluss auf die Bedingungen und Prämien. Gerade für kleine Konzern-Töchter, die auf dem freien Markt nur schwer Versicherungsschutz erhalten, könnte diese Lösung erhebliche Vorteile bieten.

Dabei geht es keineswegs um Kleingeld: Die Telekom lässt sich das Vorhaben nach ersten Schätzungen rund 50 Millionen Euro Startkapital kosten. Aktuell gibt der Konzern nach Branchenschätzungen jährlich zwischen 100 und 150 Millionen Euro allein für Sach- und Haftpflichtversicherungen aus. Hier könnte die Captive mittelfristig Prämien in zweistelliger Millionenhöhe übernehmen – und so die Versicherer am Markt stärker unter Druck setzen.

Unzufriedenheit trotz Prävention

Ein weiterer Grund für die Entscheidung: Der Telekom stößt sauer auf, dass die teuren Investitionen in Präventionsmaßnahmen – beispielsweise zur Absicherung gegen Hurrikan-Schäden in den USA – nicht ausreichend honoriert werden. David Bruckschen, Geschäftsführer der Telekom-Tochter DeTeAssekuranz, formuliert es deutlich:

„Wir haben in den vergangenen Jahren gesehen, dass der Markt in den Sparten Haftpflicht und Sachversicherung höhere Prämien und Selbstbehalte gefordert hat.“

Die Captive sei dabei keine kurzfristige Sparmaßnahme, sondern eine langfristige strategische Entscheidung, bestätigt Wolfgang Kocybik, Leiter Versicherungsmanagement der Telekom. Im Klartext heißt das: Man will nicht mehr von der Gunst der Versicherer abhängig sein, sondern das Heft selbst in die Hand nehmen.

Keine Steuerflucht – Standort bewusst in Deutschland gewählt

Interessant ist auch die Standortfrage: Die Telekom entscheidet sich bewusst gegen das bei Captives sonst beliebte Luxemburg und für Köln. Damit signalisiert sie politische Verantwortung – kein triviales Detail bei einem Konzern, dessen größter Aktionär die Bundesrepublik Deutschland mit knapp 28 Prozent der Anteile ist. Luxemburg wäre zwar steuerlich attraktiver, doch eine solche Lösung wäre politisch wohl kaum vermittelbar.

Captives als nachhaltige Lösung oder kurzfristige Mode?

Die Gründung einer Captive kann zweifellos helfen, Prämienausgaben besser zu kontrollieren. Doch der Schritt ist nicht ohne Risiko. In Zeiten niedriger Prämien und hoher Schadensbelastungen droht die Eigenversicherung schnell zum teuren Luxus zu werden. Die Telekom ist sich dieses Risikos bewusst – ob andere Unternehmen ähnlich langfristig denken, bleibt abzuwarten.

Ein „Weckruf“ an die Versicherer ist die Entscheidung allemal. Vielleicht bewegt sich der Markt nun doch – wenn selbst ein Schwergewicht wie die Telekom in Eigenregie Versicherungsschutz organisiert, ist das mehr als nur Symbolik. Es ist eine deutliche Botschaft:
Die Industrie ist nicht länger bereit, sich von steigenden Prämien erpressen zu lassen.

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