Nach Signa nun Degag: Julius Bär stolpert erneut über Immobilienexposure

Julius Bär droht nach Krediten an die insolvente Degag-Gruppe ein Verlust von rund 50 Mio. Franken. Nach dem Signa-Debakel ist es der nächste Rückschlag im Immobilienkreditgeschäft – betroffen sind auch 4.500 Privatanleger, denen ein Totalausfall droht.

Anja Amend

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Anja Amend

Veröffentlicht am

13.10.25

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9:17

Uhr

Nach Signa nun Degag: Julius Bär stolpert erneut über Immobilienexposure

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Julius Bär

Die Privatbank Julius Bär steht in Deutschland vor dem nächsten Problemfall: Im Insolvenzverfahren rund um die weit verzweigte Degag-Gruppe hat das Institut Forderungen von 48 Mio. Franken angemeldet – nahezu so viel, wie die deutsche Tochter 2023 verdiente. Das berichtet das Leitmedium Handelsblatt unter Berufung auf Recherchen.

Über mehr als ein Dutzend Projektgesellschaften sollen Kreditlinien von insgesamt über 100 Mio. Euro geflossen sein. Der Fall reiht sich ein in eine Reihe schmerzhafter Immobilienengagements: Nach dem Zusammenbruch des Signa-Imperiums verbuchte Julius Bär bereits 606 Mio. Franken Verlust - der Skandal kostete CEO Philipp Rickenbacher den Posten, wenig später trat auch Verwaltungsratspräsident Romeo Lacher ab. Seit Januar 2025 führt Philipp Bollinger die Bank, die im Mai einen weiteren Abschreiber von 130 Mio. Franken kommunizierte – ob und inwieweit dieser mit den Degag-Exposures verknüpft ist, bleibt offen.

Schieflage mit Ansage: Fragile Assets, hoher öffentlicher Druck

Die Degag, die Kleinanlegern attraktive Renditen versprach, geriet Ende 2024 unter Druck und stellte Zahlungen ein; seit Januar 2025 laufen Insolvenzen bei der Holding und weiteren Konzerngesellschaften. Laut Insolvenzverwalter beläuft sich die Überschuldung auf bis zu 1,1 Mrd. Euro. Rund 4.500 Privatanleger, die der Gruppe fast 300 Mio. Euro geliehen hatten, blicken auf ein mögliches Totalverlustrisiko. Medienrecherchen zeichneten ein düsteres Bild des Portfolios: sanierungsbedürftige Objekte in strukturschwachen Lagen, Berichte über Schimmel, Vermüllung und erhebliche soziale Problemlagen. In diesem Umfeld wird die Risikoprüfung der finanzierenden Banken zwangsläufig zur Reputationsfrage – zumal die Kreditnehmerstrukturen verschachtelt und schwer zu durchdringen waren.

Unklar bleibt, wann die Geschäftsbeziehung zu Degag-nahen Projektvehikeln genau begann; spätestens ab März 2023 wurden Konten und Linien für Gesellschaften mit Bezeichnungen wie „Bevo De Alpha 1a“ bis „1f“ eingerichtet. Ebenfalls im Umfeld: der Investor und Degag-Aktionär Birger Dehne, ohne offizielle Rolle im Konzern, aber in der öffentlichen Wahrnehmung eng mit dem Konstrukt verknüpft. Die Bank selbst erklärte auf Anfrage: „Julius Bär hatte einer privaten Unternehmensgruppe Hypothekarkredite in einem höheren zweistelligen Franken-Millionenbereich zur Finanzierung von Wohnliegenschaften in Deutschland gewährt. Einzelne Kreditnehmer dieser Gruppe befinden sich zwischenzeitlich in finanziellen Schwierigkeiten.“

Einordnung: Konsequenzen für Governance, Risikomodelle und Pricing

Für Julius Bär ist der Fall mehr als ein einzelner Kreditausfall. Er wirft Fragen nach Sektor-Limits, Due-Diligence-Tiefe und ESG-Screenings in illiquiden Assetklassen auf. Gerade in strukturschwachen Märkten ist die Werthaltigkeit stark von Mikrostandorten, Sanierungsaufwand und Betreiberqualität abhängig; Standard-Besicherungen verlieren an Aussagekraft, wenn Capex-Pläne und Cashflows nicht belastbar sind. Zudem verschärft der politische und mediale Druck auf „Schrottimmobilien“ das Abwicklungsrisiko: Leerstandsquoten, regulatorische Auflagen und soziale Konflikte machen Verwertungen langwierig und teuer.

Strategisch bleibt der Balanceakt: Das Wealth-Management-Kerngeschäft verlangt stabile Erträge und robuste Reputation, während Kreditexposure in opportunistischen Immobiliennischen zwar Rendite verspricht, aber Reputations- und Abwicklungsrisiken potenziert. Die jüngsten Personalwechsel signalisieren, dass der Verwaltungsrat Konsequenzen zieht. Ob damit bereits ein konservativerer Kurs in der Kreditpolitik verankert ist, wird sich an künftigen Sektorallokationen, Margenaufschlägen und Offenlegungstiefe messen lassen.

Für den deutschen Markt hat der Degag-Komplex ebenfalls Signalwirkung: Das Zusammenspiel aus Privatanlegerkapital, hoch gehebelten Projektvehikeln und defizitärem Asset-Management erweist sich als toxisch. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hannover gegen frühere Führungskräfte laufen, die Gläubigerstruktur ist komplex, die Zeitachse unsicher. Für Institute, die in ähnlichen Strukturen engagiert sind, dürfte der Fall den Druck erhöhen, Portfolios zu durchleuchten, Covenants nachzuschärfen und Werthaltigkeit konservativer zu bewerten. Für Julius Bär heißt es jetzt, Verluste zu begrenzen, Sicherheiten zu verwerten – und die Lehren transparent in Risiko-Governance und Marktauftritt zu überführen.

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