Strategischer Hebel für die Bilanz: Commerzbank will mit eigener „Commerz Re“ Risikokosten in Gewinne verwandeln

Die Commerzbank plant mit der „Commerz Re“ eine eigene Rückversicherungstochter. Der strategische Schritt zielt darauf ab, interne Risiken effizienter zu steuern und Versicherungsmargen künftig im eigenen Konzern zu halten.

Harry Dörsam

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Harry Dörsam

Veröffentlicht am

2.12.25

um

15:27

Uhr

Strategischer Hebel für die Bilanz: Commerzbank will mit eigener „Commerz Re“ Risikokosten in Gewinne verwandeln

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Commerzbank AG

In den Frankfurter Türmen der Commerzbank reift ein Plan, der weniger nach klassischem Bankgeschäft klingt, sondern vielmehr die Handschrift der großen Industriekonzerne trägt. Das Geldhaus bereitet die Gründung einer eigenen Rückversicherungsgesellschaft vor. Was in der Fachsprache als „Captive“ bezeichnet wird, ist ein strategischer Hebel, um sich aus der Abhängigkeit externer Assekuranz-Konzerne zu lösen.

Zuerst hatte das Branchenmedium Finanz-Szene den Vorgang ausgegraben, inzwischen bestätigte eine Sprecherin der Bank gegenüber dem Versicherungsmonitor die Ambitionen: Man prüfe derzeit die Implementierung einer Rückversicherungstochter als Maßnahme zur „Optimierung der Risikosteuerung“. Der Name ist dabei Programm: Bereits Ende Oktober 2025 sicherte sich die Bank beim EU-Amt für geistiges Eigentum die Markenrechte an „Commerz Re“.

Ein logischer Schritt für die „Mittelstandsbank“

Dass die Commerzbank diesen Weg einschlägt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie – und Logik. Als Hausbank des deutschen Mittelstands und großer Industrieunternehmen kennt sie das Modell der Captives bestens aus den Bilanzen ihrer Klienten. Konzerne wie Lufthansa, BASF oder Volkswagen nutzen solche firmeneigenen Versicherer seit Jahren, um Prämien zu sparen und sich direkten Zugang zum Großhandelsmarkt der Rückversicherer zu verschaffen.

Nun wendet die Commerzbank dieses Prinzip der Professionalisierung auf ihr eigenes Geschäftsmodell an. Die Vorteile liegen auf der Hand: Anstatt die Risikomarge an Allianz oder Zurich abzuführen, verbleibt sie im eigenen Konzern. Tritt kein Schaden ein, wird aus dem Risikobudget Gewinn. Zudem lassen sich über eine Captive Deckungskonzepte schneidern, die der harte Markt "von der Stange" oft gar nicht mehr hergibt.

Commerz Real und Cyber als Treiber

Besonders spannend wird das Projekt durch den Blick auf die spezifische Konzernstruktur. Mit der Commerz Real besitzt die Bank einen der bedeutendsten Sachwerte-Manager Europas. Dessen gewaltiges Immobilienportfolio verlangt nach immensen Versicherungskapazitäten. Eine „Commerz Re“ könnte hier als interne Schaltstelle fungieren, die Gebäudeversicherungen bündelt und kosteneffizient platziert. Das Asset Management würde so nicht nur Provisionen erwirtschaften, sondern auch auf der Kostenseite optimiert.

Ein noch drängenderes Motiv dürften die Cyber-Risiken sein. Für Banken ist die digitale Sicherheit die Achillesferse, doch der externe Versicherungsmarkt hat sich hier in den letzten Jahren extrem verhärtet: Die Prämien explodierten, während die Deckungssummen sanken. Mit einer eigenen Rückversicherung holt sich die Commerzbank die Hoheit über ihre Cyber-Deckung zurück und kann flexibler auf die Bedrohungslage reagieren, ohne Bittsteller bei den großen Erstversicherern zu sein.

Standortpoker: Frankfurt statt Luxemburg?

Noch ist die „Commerz Re“ nicht gegründet, eine Lizenz liegt noch nicht vor. Doch die Stoßrichtung ist klar: Es geht um interne Risiken, Drittgeschäft ist nicht geplant. Interessant wird in den kommenden Monaten die Standortwahl. Während die Deutsche Bank ihre „DB Re“ traditionell im Steuerhaven Luxemburg parkt, könnte die Commerzbank dem Trend zum Onshoring folgen.

Da die regulatorischen Vorteile von Offshore-Standorten durch das EU-Regelwerk Solvency II weitgehend abgeschliffen wurden, rückt Deutschland wieder in den Fokus. Prominente Beispiele machen es vor: Die Deutsche Telekom plant eine Captive in Köln, VW holt seine Einheit von Dublin nach Braunschweig zurück. Entscheidet sich die Commerzbank für einen heimischen Sitz, wäre das nicht nur regulatorisch machbar, sondern auch ein passendes Signal für eine Bank, die ihre Wurzeln so stark im heimischen Markt betont.

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