ING kappt Führungsebene – und setzt auf Nachwuchs

Die ING streicht weltweit 230 Führungspositionen im Wholesale Banking – und richtet den Blick zugleich auf Nachwuchs und Spezialisierung. Auch in Deutschland könnte das Auswirkungen haben.

Anja Amend

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Anja Amend

Veröffentlicht am

30.6.25

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12:09

Uhr

ING kappt Führungsebene – und setzt auf Nachwuchs

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ING Deutschland

Die niederländische Großbank sortiert sich neu: 230 leitende Positionen im Wholesale Banking sollen dabei wegfallen – ein Signal für Kulturwandel und Ressourcenverschiebung.

Die ING trennt sich weltweit von 230 Führungskräften in ihrem Geschäft mit Großkunden. Die Entscheidung, die vor allem Directors und Managing Directors betrifft, ist das Ergebnis einer internen Analyse, die zu einem klaren Fazit kam: Die Bank habe zu viele Personen in leitender Funktion eingestellt – mehr, als es das Geschäftsmodell oder die aktuellen Wachstumsziele rechtfertigen. Das berichtet zuerst das Nachrichtenportal Bloomberg.

Wie viele Stellen in Deutschland wegfallen, ist aktuell noch offen. Rund 300 Mitarbeitende arbeiten hierzulande im Wholesale-Bereich der ING, der traditionell stark in Frankfurt verankert ist. Eine offizielle Stellungnahme zu den länderspezifischen Auswirkungen liegt bislang nicht vor.

Fokuswechsel: Weniger Titel, mehr Talent

Die Entscheidung kommt nicht zufällig – und nicht nur aus betriebswirtschaftlicher Vorsicht. Vielmehr markiert sie einen strategischen Schwenk. Die Bank will sich künftig verstärkt auf die Gewinnung spezialisierter Talente und den gezielten Ausbau ihres Nachwuchskräftepools konzentrieren. Statt Top-down-Führung dominiert künftig offenbar die Idee flacherer Hierarchien und agilerer Teams – ein Ansatz, der in der Wholesale-Sparte großer Banken bislang eher selten zu beobachten war.

Ein interner Strategiewechsel dieser Größenordnung kommt einem Paradigmenwechsel gleich. Denn während viele Institute noch an der tradierten Führungstreppe festhalten, scheint ING bewusst einen anderen Weg einzuschlagen: mehr Kompetenzverantwortung statt Titelinflation.

Zwischen Restrukturierung und Repositionierung

Die Nachricht vom Stellenabbau hat eine zweischneidige Botschaft: Einerseits spricht sie für einen klaren Blick auf die eigene Organisation und eine gewisse Ehrlichkeit im Umgang mit aufgeblähten Führungsstrukturen. Andererseits zeigt sie auch den zunehmenden Druck, unter dem europäische Banken stehen – vor allem im wettbewerbsstarken Corporate-Banking-Geschäft.

Dass ING zugleich auf junge, spezialisierte Kräfte setzt, dürfte nicht zuletzt eine Reaktion auf den zunehmenden Wettbewerb um technologische Kompetenz sein. Gerade in datengetriebenen Segmenten wie ESG-Risikoanalyse, Zahlungsverkehr oder Digital Lending steigen die Anforderungen rapide – und mit ihnen der Bedarf an frischen, digital denkenden Köpfen. Gleichzeitig dürfte der Strategie-Shift auch auf der Kostenseite zu Entspannung führen, da "Managing Director" Positionen entsprechend hoch dotiert sind.

Weniger Chef und mehr Dynamik als Ansporn

Mit dem leichten Kahlschlag in der Führungsebene wagt ING einen Schritt, den viele Wettbewerber bislang scheuen: Sie stellt die eigene Managementarchitektur auf den Prüfstand – und zieht personelle Konsequenzen. Ganz nach dem Vorbild amerikanischer Tech-Konzerne soll die Arbeitsweise agiler - und dadurch auch bedeutend schneller - werden.

Im Hinblick auf die Kundenbedürfnisse, die sich rapide wandeln und immer stärker auch technologische Exzellenz von Banken erfordern, dürfte dieser Kurswechsel für den Ausbau der Marktposition unabdingbar sein. Ob weitere Banken den Kurs verfolgen bleibt abzuwarten.

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