Europäische Finanzbranche startet „Regulated Layer One“ – gemeinsames DLT-Netz soll Tokenisierung aus der Pilotphase holen

Zehn Finanzinstitute starten „Regulated Layer One“: Auf Basis der SWIAT-Technologie entsteht eine genossenschaftliche, regulierte DLT-Infrastruktur für digitale Assets und Zahlungen. Mit der EZB-Agenda („Pontes“/„Appia“) wächst der Druck zur Skalierung – RL1 setzt auf offene Governance und Interoperabilität.

Anja Amend

Ein Beitrag von

Anja Amend

Veröffentlicht am

29.9.25

um

12:12

Uhr

Europäische Finanzbranche startet „Regulated Layer One“ – gemeinsames DLT-Netz soll Tokenisierung aus der Pilotphase holen

Bildnachweis:

SWIAT

Mit „Regulated Layer One“ (RL1) formiert sich eine europäische Initiative, die ein gemeinsames Distributed-Ledger-Netzwerk unter offener, verlässlicher Governance aufsetzt – nicht als gewinnorientierte Plattform, sondern als Genossenschaft im Besitz regulierter Finanzinstitute. Grundlage ist das seit über zwei Jahren produktiv genutzte SWIAT-Netz. Technologie und der regulatorisch ausdefinierte Vertragsrahmen werden in die neue Struktur überführt.

Ziel ist es, regulierten Marktteilnehmern eine sichere, zugangsbeschränkte Umgebung zu bieten, in der sich Anwendungsfälle von der Tokenisierung klassischer Wertpapiere bis zu Cash-on-Chain und unterschiedlichen Abwicklungswegen skalieren lassen. Nach Angaben der Initiatoren unterstützen zum Start zehn europäische Häuser die Vorbereitungsphase und beauftragen SWIAT mit Umsetzung und Koordination.

„Regulated Layer One zeigt, wie privatwirtschaftlich getriebene Initiativen die digitale Transformation hin zu einer einheitlichen Finanzmarktinfrastruktur unterstützen können“, sagt Dr. Timo Reinschmidt, Co-CEO und CCO von SWIAT.

„Mit dem europäischen Genossenschaftsmodell und dem Bekenntnis zur Neutralität vermeidet RL1 die Fallstricke fragmentierter oder renditeorientierter Modelle und schafft eine Infrastruktur zum Nutzen des europäischen Finanzsystems.“

Rückenwind aus Frankfurt: EZB skizziert „Pontes“ und „Appia“

Der Start von RL1 fällt in eine Phase, in der die Europäische Zentralbank den nächsten Ordnungsrahmen für digitale Kapitalmarktinfrastruktur absteckt. Der EZB-Rat hat im Juli eine Zwei-Spuren-Strategie beschlossen: „Pontes“ als kurzfristige Brückenlösung, „Appia“ als potenzielles Langfrist-System für die Abwicklung von DLT-Transaktionen in Zentralbankgeld und die Anbindung an die TARGET-Services. Das sendet ein klares Signal an Marktprojekte, die auf regulierte Settlement-Pfade angewiesen sind – und schafft Anschlussfähigkeit für RL1, das ausdrücklich auf Interoperabilität mit öffentlichen Marktinfrastrukturen zielt.

Auch einzelne RL1-Partner haben in den vergangenen Monaten DLT-Erfahrung aufgebaut: Die KfW etwa investierte im Frühjahr in einen blockchain-basierten Pfandbrief und versteht ihr Engagement als Teil einer „digitalen Lernreise“, die in gemeinsame Netze münden soll. DekaBank, LBBW und weitere Häuser testeten 2024 in den EZB-Explorationsläufen DLT-basierte Kapitalmarktprozesse – ein praktischer Vorlauf für standardisierte, genossenschaftlich organisierte Infrastrukturen.

Anspruch und Realität: Skalierung ja – Liquidität bleibt die Nagelprobe

Die RL1-Architektur soll Emittenten, Investoren, Marktplätze, Verwahr- und Zahlungsdienstleister unter einem Regelwerk zusammenbringen – mit der Governance-Garantie, dass weder einzelne Partner noch Entwickler oder Knotenbetreiber Kontrolle über das Netz ausüben. Damit adressiert die Initiative einen Kernkonflikt der vergangenen Jahre: zahlreiche Insellösungen, wenig Netzwerkeffekte. Zugleich bleibt die Bewährungsprobe dieselbe wie in anderen Tokenisierungsprojekten: echte, wiederkehrende Primär- und Sekundärmarktnutzung. Beobachter verweisen darauf, dass die Liquidität in Blockchain-Bonds bislang oft dünn ist – ein Problem, das erst mit kritischer Masse, einheitlichen Standards und verlässlichem Zentralbankgeld-Settlement verblasst. Genau hier greifen EZB-Pläne und RL1-Ansatz ineinander.

„Wir freuen uns sehr, Teil der RL1-Initiative zu sein und einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung des DLT-basierten Kapitalmarkts zu leisten“, sagt KfW-Chef Stefan Wintels.

„Die Interoperabilität wird damit gestärkt – ein entscheidender Faktor, um die Skalierbarkeit dieser Technologie voranzutreiben.“

Deka-Vorstand Martin Müller betont die strategische Dimension: RL1 solle „eine zentrale Säule des europäischen Finanzökosystems werden, im Einklang mit den Ambitionen der EZB im Rahmen des ‚Appia‘-Initiative und der europäischen Kapitalmarkt- und Investitionsunion“.

Nächste Schritte: Gründung, Governance, Migration

Kurzfristig steht die formalrechtliche Gründung der Europäischen Genossenschaft (SCE), die Definition der Governance und die Migration des bestehenden SWIAT-DLT-Netzes auf RL1 an. Eigentum und Betrieb sollen vollständig bei den Finanzinstituten liegen; SWIAT bleibt als Software- und Servicepartner an Bord. Für den Markt ist entscheidend, wie schnell sich auf RL1 standardisierte Anwendungsfälle etablieren – etwa digitale Anleihen unter eWpG-Regime oder grenzüberschreitende DvP-Strecken – und ob die Genossenschaft zusätzliche Player aus Emission, Börsenhandel, Abwicklung und Cash-Leg anzieht. Gelingt das, könnte RL1 helfen, die Tokenisierung in Europa aus dem Projektmodus in die Fläche zu überführen.

Ähnliche Beiträge